Plötzlich ausgebrannt? Vom Burnout zur Balance

von Viktoria Spätauf

In dem 2017 erschienen Artikel Die Wahrheit über Burn-Out, die viele nicht hören wollen erklärt der deutsche Psychiater Manfred Lütz: „Burn-out ist keine Krankheit und sollte auch nicht als solche behandelt werden. Burn-out ist eine soziale Problematik“. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist der Auffassung, dass es sich mehr um ein berufliches Phänomen (orig. occupational phenomen“) als eine psychische Erkrankung handle. So wird es in der neuesten Auflage des Diagnostikmanuals ICD-11 wie folgt definiert:

“Burn-out is a syndrome conceptualized as resulting from chronic workplace stress that has not been successfully managed. It is characterized by three dimensions: feelings of energy depletion or exhaustion; increased mental distance from one’s job, or feelings of negativism or cynicism related to one’s job; and reduced professional efficacy.“

Darin spiegelt sich der von Maslach und Kollegen bereits 1976 postulierte 3-dimensionale Ansatz wider, der bis heute Gültigkeit findet und dem zufolge das Burnout-Syndrom durch folgende drei Aspekte gekennzeichnet ist:

  • emotionale Erschöpfung: chronischer (Arbeits-)Stress führt zu emotionaler und körperlicher Kraftlosigkeit.
  • Depersonalisation und Zynismus: ein eher abgestumpftes Verhalten, das Distanz schaffen soll, um folglich den Stress zu reduzieren.
  • verminderte Arbeitsleistung: sowohl die subjektive Leistungsbewertung als auch tatsächliche Performanz sinken. Damit einhergehend schwindet das Selbstvertrauen und die Angst zu versagen erhöht sich.

Erklärungs-Modelle zur Entstehung von Burnout

Namhafte WissenschaftlerInnen forschten bereits in den 80er und 90er Jahren zu den Entstehungsfaktoren und Ursachen von Burnout. So auch Freudenberger und North (1992), nach denen es sich bei Burnout um einen Energieverschleiß handelt, der aus diversen Überforderungen (Familie, Arbeit, Freunde) resultiert. Ein Gefühlszustand, der durch übermäßigen Stress begleitet ist und persönliche Motivationen wie auch das Verhalten beeinträchtigt. Spannende arbeitspsychologische Erklärungsansätze des Burnout-Phänomens bieten das „Effort-Reward-Imbalance“-Modell (kurz: ERI, Siegrist, 1993), das „Job Demand Control“-Modell (Karasek, 1979) und das daraus entstandene „Job Demands-Resources“-Modell (Bakker & Demerouti, 2007).

Die Grundannahme des ERI-Modells ist, dass Gesundheitsprobleme als eine Folge latenter Gratifikationskrisen entstehen. Eine Gratifikationskrise resultiert dabei aus einem Ungleichgewicht zwischen hohen Arbeitsanforderungen (Efforts) und den dafür erhaltenen Gratifikationen (griech.: Gefälligkeit)  in Form von Anerkennung, Aufstiegschancen sowie Statuskontrolle (Rewards). Kurzum: hat eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter konstant den Eindruck mehr zu geben als zu bekommen, führt das zu subjektiven Krisen und Stress, die sich dauerhaft in einem Unwohlsein und verminderten Gesundheitszustand niederschlagen können. Nichtbeachtung und „Weitermachen wie bisher“ kann immense physische wie auch psychische Beschwerden zur Folge haben: Burnout, Herzkreislauferkrankungen sowie Alkoholkonsum seien an dieser Stelle beispielhaft genannt (van Vegchel, de Jonge & Landsbergis 2005; Puls, 2008). Das „Job Demand Control“-Modell sieht in so genannten „High strain jobs“ das größte Burnout-Risiko: jene Jobs, die eine hohe Arbeitsintensität aufweisen und vergleichweise wenig Kontrollerleben und Handlungsspielraum mit sich bringen. Burnout ist somit die Folge eines dauerhaft übermäßigen Stresserlebens, das durch andauernde und zu hohe Arbeitsansprüche entsteht, welche der oder die Betroffene aufgrund seiner Ressourcen und Fähigkeiten nicht erfüllen kann. Dieses dauerhafte Misserfolgserleben führt zu ständiger Unzufriedenheit, fehlendem Selbstwirksamkeitserleben und sinkender Motivation (Demerouti, Bakker, Nachreiner & Schaufeli, 2001).

Wichtig: Burnout ist multifaktoriell bedingt. Es sind nicht nur die Arbeitsbedingungen oder das Stressmanagement der einzelnen Personen, sondern ein Zusammenwirken vieler einzelner Komponenten, die im Gesamten zu einer dauerhaften Erschöpfung führen. Die Folge: MitarbeiterInnen leiden unter gesundheitlichen Einschränkungen, die deren Leben massiv beeinträchtigen. Unternehmen leiden unter verringerter Leistung, vielen Krankenständen und hohen verdeckten Kosten. Umso wichtiger, dass beide Seiten Zeit und Geld in Gesundheitsförderung und Burnout-Prävention investieren.

Stress und Erschöpfung: Wann ist es Burnout?

Nicht jede Form von Stress und Ermüdung bedeutet gleich, ausgebrannt zu sein. Am Weg zur völligen Erschöpfung durchläuft der/die Betroffene verschiedene Stadien, die in Anlehnung an die 12 Stadien nach Freudenberger und North konzipiert wurden (1992).

Phasen 1-3: Beginnend mit dem Zwang sich zu beweisen, führt der verstärkte Ehrgeiz zu einem überhöhten Leistungsanspruch und in weiterer Folge zur Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse. Die Work-Life-Balance kippt, der Lebensstil wird ungesünder und erste kleine Fehler schleichen sich ein.

Phase 4-6: Erste Konflikte mit anderen treten auf und die Betroffenen erkennen langsam, dass sie ihre Bedürfnisse vernachlässigen. Gleichzeitig verdrängen sie diesen Umstand, deuten Probleme um oder versuchen diese komplett auszublenden. Die Folge der Verleugnung sind körperliche Beschwerden, Ungeduld, latente Aggressivität und Leistungseinbußen.

Phase 7-9: „Genug diskutiert“ – „Rückzug“ – Betroffene fühlen sich ausgelaugt und überlastet. Diese drei Phasen sind von auffälligen Verhaltensänderungen und berichteter Depersonalisation gekennzeichnet. Als leblos, ferngesteuert und sinnlos erleben Betroffene ihren Alltag.

Phase 10-12: Die innere Leere und auch Begleiterscheinungen wie Panikattacken, Zukunftsängste oder paranoide Tendenzen („Jeder tut mir etwas zu Fleiß“) häufen sich. Depressive Symptome wie Verzweiflung, Interessens- und Kraftlosigkeit bestimmen den Alltag. Betroffene in den Phasen 10-12 benötigen akute psychiatrische und psychotherapeutische Hilfe.

Tipps für den Arbeitsalltag: das 1×1 der Burnout-Prävention für Arbeitnehmer

Humor:

Ganz nach Roberto Blancos Hit „Ein bisschen Spaß muss sein“ konnten Mesmer‐Magnus, Glew, and Viswesvaran in einer Metaanalyse von 2012 die signifikanten positiven Effekte von Humor am Arbeitsplatz aufzeigen. Stressreduktion, mehr Wohlbefinden als auch eine verbesserte Arbeitsleistung waren die Folge einer humorvollen Arbeitsumgebung. Weiters liegt ein Zusammenhang zwischen Humor und Stress vor. Personen, die dem Tag allgemein sowie den damit verbundenen Herausforderungen mit mehr Humor begegnen, weisen ein reduziertes Angst- und Stresserleben (Abel, 2002) sowie eine erhöhte Immunfunktion (Bennett et al., 2003) auf.

Achtsamkeit

In unserem Artikel „krisenstarkes Immunsystem“ haben wir beschrieben, dass Stress durch einen internen Bewertungsprozess äußerer Umstände entsteht. Burnout ist mehr oder weniger die Folge von dauerhaft erlebtem Stress. Wenn Sie der völligen Erschöpfung vorbeugen wollen, so macht eine Stressreduktion im Alltag durchaus Sinn. Dabei kann der „Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)“-Ansatz von John Kabat-Zinn hilfreich sein. Studien belegen, dass tägliche Meditation und/oder Achtsamkeitsübungen helfen, das allgemeine Stresslevel zu senken, in Folge die Zufriedenheit und das Wohlbefinden zu steigern und im Arbeitskontext leistungsfördernd wirken: bessere Entscheidungsfindung, erhöhte Aufmerksamkeit und verbessertes Teamwork seien an dieser Stelle beispielhaft genannt (Winter, 2015).

Sport und Bewegung

In unserem Blogbeitrag „Bewegung ist Dünger für unser Gehirn“ können Sie die positiven Effekte von regelmäßiger Bewegung für Körper und Psyche nachlesen. In jedem Tipp zur Gesundheitsförderung darf aus meiner Sicht Sport und Bewegung nicht fehlen. Besonders die Bewegung in der Natur ist für unser psychisches Wohlbefinden unabdingbar. Was für einen Einfluss die Zeit im Grünen, auch wenn es kein Sport per se ist, auf unsere Gesundheit hat, können Sie hier nachlesen. Fakt ist: sowohl Sport als auch Bewegung in der Natur reduzieren Stress und steigern unser Wohlbefinden.

Dankbarkeit

Aus der Positiven Psychologie wie auch Glücksforschung wissen wir, dass Dankbarkeit eines der wichtigsten Puzzle-Teile für ein zufriedenes und erfülltes Leben ist. Es ist laut Shawn Achor eines der 5 wichtigsten Elemente, um den so genannten Glücksvorteil zu erleben, der wiederum positiven Einfluss auf unsere Kreativität, unsere Aufmerksamkeit sowie Arbeitsleistung hat. Mehr dazu finden Sie in unserem Blogartikel „Glück und Erfolg wie Henne und Ei?“. Ein einfaches und doch so wirksames Tool bietet das Dankbarkeits-Tagebuch. Mindestens 3-4mal pro Woche schreiben Sie ca. 3 Dinge auf, für die Sie an diesem Tag aus tiefstem Herzen dankbar sind. Das können kleine wie auch größere Dinge sein. Wichtig ist eine Regelmäßigkeit.

Selbstfürsorge & Balance

Sie kennen sich am Besten. Sie kennen glückliche Momente und Tage voller Energie. Erinnern Sie sich an diese Tage und tun Sie mehr von dem, was Ihnen gut tut. Eine runde Schwimmen, ein leckerer Kaffee mit Freunden, ein nettes Telefonat mit einer vertrauten Person, ein gutes Buch – es sind die Kleinigkeiten, die unseren Alltag so besonders machen. Auch Grenzen setzen gehört dazu. Achten Sie auf sich und hören Sie zu, wenn Ihr Organismus schreit. Denn vielleicht möchte er Sie nur daran erinnern, für sich selbst zu sorgen!

Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz: das können Sie als Arbeitgeber tun

Auch hier gilt: nicht jede stressige Zeit oder Arbeitsunlust ist gleichzusetzen mit Burnout. Doch generell ist es im Sinne des Unternehmens, eine fördernde und lebensfrohe Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Einen Ort, an dem die MitarbeiterInnen gerne arbeiten und Zeit verbringen – denn es sollte Ihnen als Arbeitgeber bewusst sein: Menschen in Vollzeitanstellung (40h/Woche) verbringen ca. 24%, knapp 1/4 Ihrer wöchentlichen Lebenszeit in der Arbeit. Es kann hilfreich sein, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der die Hierachien eher flach sind. In der Teamwork und gemeinsamer Erfolg vor Macht und Status eines Einzelnen kommen. In der Fehler als wichtige Ressource der Weiterentwicklung gesehen werden. Und in der jeder Möglichkeiten sieht, seinen Beitrag zu leisten und Erfolg zu haben. Denn dieses Bedürfnis der Selbstverwirklichung tragen wir Menschen alle in uns.

Sollten Sie Einzel-Coachings für sich oder Ihre MitarbeiterInnen wünschen, dann kontaktieren Sie uns gerne. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören!

Quelle:

Abel, M. H. (2002). Humor, stress, and coping strategies. Humor – International Journal of Humor Research, 15, 365-381.

Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2007). The Job Demands-Resources model: State of the art. Journal of Managerial Psychology, 22(3), 309-328

Bennett, M., Zeller, J., Rosenberg, L., & McCann, J. (2003). The effect of mirthful laughter on stress and natural killer cell activity. Alternative Therapies in Health and Medicine, 9, 38-45.

Demerouti, E., Bakker, A. Nachreiner, F. & Schaufeli, W. (2001) The Job Demands–Resources Model of Burnout. Journal of Applied Psychology 86 (3), 499-512

Freudenberger, H.J. (1974) Staffburnout. J Soc Issues, 30, 159–642

Freudenberger H, North G: Burnout bei Frauen. Frankfurt am Main: Krüger, 1992

Maslach,C. (1976) Burned-out. HumBehav, 5, 16–22.

Mesmer‐Magnus, J., Glew, D., & Viswesvaran, C. (2012). A meta‐analysis of positive humor in the workplace. Journal of Managerial Psychology, 27, 155-190.

Nil, R. et al. (2010) Burnout – eine Standortbestimmung. Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie, 161 (2), 72–77.

Puls, W. (2008): Betriebliche Rahmenbedingungen, Stress und der Konsum von Alkohol. Eine Diskussion der Befunde in soziologischer Perspektive. In: Bauer, U., Bittlingmayer, U., Richter, M. (2008): Health Inequalities. Determinanten und Mechanismen gesundheitlicher Ungleichheit. VS Verlag: Wiesbaden: 236 – 256.

Siegrist, J. (1996). Adverse health effects of high-effort/low-reward conditions. Journal of Occupational Health Psychology 1, 27-41.

Talbot, L., & Lumden, D. (2000). On the association between humor and burnout. Humor – International Journal of Humor Research, 13, 419-428.

van Vegchel, N., de Jonge, J., Landsbergis, P.A. (2005). Occupational stress in (inter)action: the interplay between job demands and job job resources. Journal of Organizational Behavior 26: 535-560.

Winter, T. (2016). Evidence for Mindfulness: A Research Summary for the Corporate Sceptic: https://www.td.org/insights/evidence-for-mindfulness-a-research-summary-for-the-corporate-sceptic

Online: https://www.businessinsider.de/wissenschaft/die-wahrheit-ueber-burn-out-die-viele-nicht-hoeren-wollen-r/

Online: https://www.who.int/mental_health/evidence/burn-out/en/

Online: https://www.wko.at/service/unternehmensfuehrung-finanzierung-foerderungen/Burnout-Praevention_fuer_Unternehmen.html

Online: https://www.asu-arbeitsmedizin.com/originalia/12-phasen-burnout-screening