Das positive Selbstgespräch
von Viktoria Spätauf
„Ich kann nicht mehr“, „Das schaffe ich nie“, „Was soll denn schon Großartiges passieren? Der Tag hat doch schon mies begonnen!“, „Mir geht’s heute nicht gut – das kann ich nun mal nicht ändern!“ Kommen Ihnen diese Aussagen bekannt vor? Ich würde sie als klassische Aussagen von Bekannten oder typische Gedanken im Alltag bezeichnen. Passend dazu folgende Fakten: jeder Mensch produziert am Tag ca. 60.000 bis 70.000 Gedanken. Eines von vielen Beispielen dafür wie genial das Wesen Mensch und sein Gehirn ist. Weniger berauschend klingt hingegen der Fakt, dass lediglich 3% dieser Gedanken positiv, aufbauend und konstruktiv sind. Ganz recht, wir verschwenden den Großteil unserer Zeit mit flüchtigen, nebensächlichen Gedanken (ca. 70%) wie „Ah, heute regnet es“ oder „Es ist schon 16:15“ und negativen, abwertenden Gedanken (ca. 27%). Hinzu kommt, dass negative Gedanken auch negative Emotionen zur Folge haben, was oft und öfter zu einer Abwärtsspirale der Stimmung führt. Ich denke, Sie wissen genau wovon ich rede. Falls nicht – im Folgenden ein Beispiel…
„Oh nein, ich bin krank!“
Donnerstag Abend, kurz bevor Sie zu Bett gehen. Sie werfen noch einmal einen flüchtigen Blick auf den Kalender und freuen sich auf das bevorstehende Wochenende. So viel aufregende und spannende Dinge: Freitag Abend eine Verabredung mit der Freundin, Samstag die große 30er Party der Schwester und Sonntag geht’s zum Brunch mit dem Partner. „Morgen nur noch bis 12 Uhr arbeiten und dann kann das Wochenende starten“. Sie schlafen mit einem positiven Gefühl ein, schnell und voller Vorfreude auf die nächsten Tage. Freitag, 6 Uhr Morgens, Sie wachen auf – mit voller Nase, Kopfschmerzen und fühlen sich, als wäre mitten in der Nacht ein LKW über sie gefahren. Wie das Leben so spielt, haben sie sich ganz unbemerkt einen Virus eingefangen und fühlen sich kränklich. Sie verspüren keine heftigen Grippe-Symptome wie Übelkeit, Fieber oder Gelenkschmerzen, wissen aber auch nicht, wo sie die Luft zum Atmen herbekommen sollen. Die Nase ist jedenfalls keine Option.
Haben Sie in dieser Situation schon einmal beobachtet, WAS sie denken? Übung 1: Versuchen Sie sich bitte kurz einen Moment zurück zu lehnen und zu erinnern. Schreiben Sie alle Gedanken auf, die in solch einer Situation normalerweise auftauchen. Und jetzt gliedern Sie diese in „positive“, „negative“ und „flüchtige“ Gedanken auf. Schreiben Sie im Anschluss auf, welche Emotionen diese Gedanken üblicherweise zur Folge haben.
Zugegeben, es ist keine optimale Situation. Aber im Vergleich zu vielen herausfordernden Dingen des Lebens, werden auch Sie eine leichte Erkältung eher als Banalität einstufen. Nichts desto trotz fühlt sich Ihr Körper in genau diesem Moment furchtbar an – Sie ringen nach Luft und können sich bis dato nicht erklären, woher diese elendige Verstopfung in der Nase über Nacht gekommen ist… dabei haben Sie sich doch schon so auf das bevorstehende Wochenende gefreut! Als wäre das nicht genug, belasten Sie Ihren bereits angeschlagenen Körper zusätzlich mit schlechten, abwertenden Gedanken und nehmen ihm somit wichtige Kraft, um gesund zu werden. Eine positive Einstellung wird die Erkältung per se nicht heilen, aber möglicherweise Ihre Sichtweise verändern, Ihre Stimmung verbessern und Sie leistungsfähiger machen, als Sie dachten.
Die Magie der positiven Gedanken
Selbstverständlich ist es nicht möglich, durch unsere Gedanken die Erkältung wegzuzaubern. Allerdings kann uns ein konstruktives Selbstgespräch sehr wohl dabei helfen, die Schmerzen zu relativieren bzw. den Schnupfen leichter auszuhalten, die eigene Stimmung zu verbessern und somit auch das Wohlbefinden zu steigern. In Folge dessen sind wir motivierter, gesund zu werden und auch Dinge zu tun, die uns bei der Genesung helfen. Studien belegen, dass unsere Psyche einen direkten Einfluss auf unser Immunsystem hat [1]. Eine optimistische Denkweise beschleunigt dabei den Genesungsprozess [2]. Nehmen Sie sich die in Übung 1 notierten Gedanken zur Hand. Sollten diese zum Großteil positiv sein und entsprechend positive Emotionen bei Ihnen auslösen, dann beherrschen Sie das konstruktive Selbstgespräch besser als Sie dachten. Liege ich richtig in der Annahme, dass Sie selten krank sind bzw. schnell regenerieren?
Oder zählen Sie zu den Menschen, die in solch einer Situation üblicherweise eine Welle negativer Gedanken lostreten? Beispiele: „Ich bin so krank“, „So kann ich nicht arbeiten“, „Das Ganze Wochenende ist versaut“, „Warum passiert das gerade mir“ … Fühlen Sie sich durch diese wirklich besser? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ein gesundes Mitgefühl für sich selbst ist wichtig. Ich ermutige Sie hiermit nicht körperliche Schmerzen zu missachten und einen Marathon zu laufen. Vielmehr geht es darum, den Fokus darauf zu lenken, was wir brauchen, um gesund zu werden und uns vielleicht sogar schon nach ein paar Stunden besser zu fühlen. Eine positive Einstellung ist der erste Schritt, schnell wieder fit zu werden. Probieren Sie es bitte selbst aus. Übung 2: Legen Sie die negativen Gedanken, die sich in der Situation als nutzlos erwiesen haben, vor sich. Sie wissen: diese fördern weder Ihr Wohlbefinden noch verbessern Sie Ihre körperliche Verfassung. Versuchen Sie diese Gedanken so umzuformulieren, dass sie bestärkend klingen UND eine positive Emotion bei Ihnen auslösen. Beispiel: „Das Ganze Wochenende ist versaut“ -> „So ein kleiner Schnupfen haut mich nicht um. Inhalieren, Tee trinken und schon geht es mir besser.“ Erkennen Sie den Unterschied?
Positiv Denken in schwierigen Situationen
Wie Sie sich vorstellen können, ist diese Art des positiven Selbstgespräches in verschiedensten Situationen hilfreich. Ob für den Sportler, der Angst hat, im Wettkampf zu versagen oder den Schüler, der sich fürchtet, vor der Klasse das Referat zu halten. Versuchen Sie achtsam mit Ihren Gedanken zu sein. Teilen Sie die Gedanken in die Kategorien „positiv“ und „negativ“ auf (bei Bedarf auch eine Zusatzkategorie für „flüchtige“ Gedanken) und beobachten Sie genau, welche Emotionen durch die Gedanken ausgelöst werden. Hilfreiche Gedanken behalten Sie. Abwertende, unnütze Gedanken, die bei Ihnen ein Unwohlsein auslösen, ersetzen Sie durch positive Alternativgedanken. Üben Sie das positive Selbstgespräch in heiklen Situationen und nehmen Sie wahr, wie positiv sich Ihr Alltag gestaltet. Wenn es nicht auf Anhieb klappt und Sie den Weg der Veränderung zu Zweit gehen wollen, unterstützen wir Sie gerne dabei.
“Positive Gedanken sind der beste Start für die Reise auf die Sonnenseite des Lebens”
(Jeremy A. White, 2007)
Quellen
[1] „Optimism boosts the immune system.“, https://www.sciencedaily.com/releases/2010/03/100323121757.htm, 04.06.2019
[2] „The power of postive thinking: More evidence on patient expectations and return to work.“, https:// www.iwh.on.ca/at-work/65/the-power-of-positive-thinking-more-evidence-on-patient-expectations-and-return-to-work, 04.06.2019