Giraffe oder Wolf? Wege der Kommunikation

„Du bist ja wirklich für alles zu blöd!“

„Ich fühle mich von dir nicht verstanden!“

„Die ist einfach faul. Da kann man nichts machen!“

„Wenn er mich lieben würde, hätte er das nicht gemacht!“

„Meine Kollegin hat das besser und schneller gemacht!“

„Wenn nur alle Kinder so wären wie die kleine Marie. Sie ist so viel ruhiger und braver.“

„Was? Du hast nicht einmal halb so viel für uns getan wie er!“

„Klar, ich musste das tun. Mein Partner wollte mich unbedingt dabei haben!“

„Was blieb mir übrig als sie zu schimpfen? Sie hat mich hintergangen!“

„Natürlich musste ich ihn kündigen. Er hat gegen die Regeln verstoßen!“

Kommen Ihnen diese Sätze bekannt vor? Vielleicht haben Sie den ein oder anderen schon gesagt bekommen und möglicherweise auch selbst ausgesprochen. Es handelt sich um Sätze unseres Alltags und kennzeichnet gleichzeitig eine Sprache, die unser Miteinander blockiert und nach Marshall Rosenberg als lebensentfremdende Kommunikation bzw. „Wolfssprache“ bezeichnet wird. Dazu zählen unter anderem moralische Urteile, Vergleiche als indirekte Veurteilungen sowie Sätze, mit denen wir andere für unsere Seinszustände verantwortlich machen und unsere Verantwortung leugnen. Gerade in heutigen Zeiten, in denen die körperliche Gewalt rapide steigt, ist es wichtig sich bewusst zu werden: Auch Sprache kann gewaltätig sein. Jeder von uns kann einen Beitrag dazu leisten, die Gewalt in unseren Herzen durch die eigene Art der Kommunikation zu reduzieren. Vielmehr kann es uns gelingen, durch unsere Worte auszudrücken, was wir brauchen und was wir uns wünschen. Diese bedürfnisorientierte, lebensbereichernde Kommunikation nennt Rosenberg „Giraffensprache“.

In 4 Schritten vom Wolf zur Giraffe

Die Giraffe hat das größte Herz von allen am Land lebenden Tieren. Durch ihren langen Hals behält sie stets den Überblick. Sie hat keine natürlichen Feinde und lebt in Herden, die Gleichberechtigung fördern und kein Leittier haben. Wenn wir von Giraffensprache reden, meinen wir einen 4-teiligen Prozess der Kommunikation, den wir 1. nutzen können, um mitzuteilen, was wir beobachten, fühlen und brauchen und 2. um empathisch zu hören, was andere beobachten, fühlen und brauchen.

1. Beobachtung

Was sehe ich? Was höre ich? Was nehme ich wahr?

2. Gefühl

Was fühle ich, wenn ich diese Situation beobachte?

3. Bedürfnis

Was brauche ich in dieser Situation? Was ist mir wichtig? Welches Bedürfnis/welcher Wert wird angesprochen?

4. Bitte / Wunsch

Worum möchte ich konkret bitten? Was hätte ich gerne von meinem Gegenüber? Was wünsche ich mir?

Zugegeben, es ist nicht einfach das Modell praktisch umzusetzen und unmöglich, die Giraffensprache in Perfektion anzuwenden. 100% gibt es wohl nicht. Jedoch kann bereits die Auseinandersetzung mit dem Thema – erste Versuche die eigene Wolfssprache zu erkennen und gegebenfalls in die Veränderung zu bringen, wahre Wunder wirken. Für uns selbst und in den Beziehungen, die uns so wichtig sind.

Dabei liegen dem Modell folgende Annahmen zugrunde:

  • Alles, was Menschen tun oder auch nicht tun, ist ihr Versuch, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen
  • Jegliche Form der Gewalt ist ein Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse
  • Unsere Gedanken sind der Ursprung der Gewalt
  • Die Verantwortung für unsere Gefühle und dessen Erfüllung/Nicht-Erfüllung tragen wir selbst
  • Kritik ist ein unglücklich formulierter Wunsch, hinter dem letztlich ein Bedürfnis steckt.
  • Wir können niemals andere dazu zwingen, etwas von Herzen zu tun. Lediglich darum bitten.

Warum sollte ich Giraffensprache anwenden?

Bei der Gewaltfreien Kommunikation handelt es sich um einen lebendigen Informationsfluss, der zu Verbundenheit führt, da die Bedürfnisse aller Beteiligten im Fokus liegen. Statt Schuldzuweisungen („Du liegst falsch, ich habe Recht!“) werden Bedürfnisse („Was brauche ich, was brauchst du?“) und Wünsche bzw. Ziele („Wo möchte ich hin?“, „Möchtest du das auch?“) thematisiert. Durch Giraffensprache reduzieren wir Abwehrhaltung und Widerstand des Gegenübers und fördern eine wertschätzende Haltung, die allen an der Kommunikation Beteiligten gleiche Aufmerksamkeit schenkt. Letztendlich erzielen wir eine höhere Kooperationsbereitschaft. Vorwürfe und unglücklich formulierte Kritik führen in der Regel zu Verteidigung und Rückzugsverhalten, das beim Gegenüber wiederum die Lust auf Angriff und Rückschlag erhöht. So ergibt eins das andere und während wir darüber streiten, wer Recht hat und wer nicht, verlieren wir aus den Augen, worum es uns eigentlich geht.

Giraffensprache im Alltag

Um Gewaltfreie Kommunikation im Alltag einzubauen, gilt es laut Marshall Rosenberg essenzielle Schritte zu beachten:

1. Bewusstheit über die eigenen Werte und Bedürfnisse schaffen

2. Üben, üben, üben

3. Sich mit Personen zu umgeben, die einen ähnlichen Weg bestreiten möchten und Giraffensprache leben wollen

Wir unterstützen Menschen auf Ihrem persönlichen Weg zu einer gewaltfreieren Kommunikation – mit sich selbst und mit anderen. Kontaktieren Sie uns gerne für ein Coaching.

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Quelle:

Adleff, E. (2016) Präsentation zu gewaltfreien Kommunikation. Privat.

Bitschnau, K. (2019) Seminar: Einführung zur gewaltfreien Kommunikation inkl. Arbeitsmaterialien: „Erfolgreich kommunizieren: von der Konfrontation zur Kooperation“

Bryson, K. (2006) Sei nicht nett, sei echt! Handbuch für gewaltfreie Kommunikation. Das Gleichgewicht zwischen Liebe für uns selbst und Mitgefühl mit anderen finden. Junfermann Verlag: Paderborn.

GFK Austria: https://www.gewaltfrei.at

GFK Deutschland: https://www.gewaltfrei.de

Rosenberg, M. (2013) Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Lebens. Junfermann Verlag: Paderborn.

Rosenberg, M. – Seminarvideo: https://www.youtube.com/watch?v=Y7GvxcwuqoM

Rosenberg, M. – Seminarvideo: https://www.youtube.com/watch?v=otynMEeMStg