Der Ruf des empathischen Kriegers

von Jeff Foster, in einer Übersetzung von Elisabeth Adleff

Sobald du dir erlaubst von deinen uralten Prägungen von Scham und angstbasierenden Konditionierungen aufzuwachen, und dadurch in Kontakt mit deinem wahren Selbst kommst, und sobald du deine tiefe Verletzlichkeit und dein unschuldiges Herz spürst, wirst du eine Empathie in dir entdecken, die du nie für möglich gehalten hast. Eine Empathie für alle Menschen auf dieser Welt, genauso wie eine Empathie für deine eigene tiefste Menschlichkeit. Für die Fehler und Schwächen anderer und für deine eigene wunderbare Unvollkommenheit.

Du wirst merken, dass du dein Herz anderen gegenüber mitfühlend öffnest, bereit den Raum zu halten, den sie brauchen, um eine Pause zu machen, sich auszuruhen, zu heilen. Bereit ihnen ohne Bewertung zuzuhören, so wie du auch bereit bist dir selbst ohne Bewertung zuzuhören. Stille und Verlegenheit werden dich nicht mehr weiter irritieren. Du bist präsenter, weniger abgelenkt, authentischer und weniger daran interessiert andere zu kontrollieren und zu steuern.

Indem Menschen mehr und mehr in Kontakt mit deiner Empathie kommen, und spüren, dass du ihnen in all deiner Präsenz zuhörst, wirst du sie auf oft unerwartete Weise antriggern: Du wirst merken, dass gewisse Menschen sich plötzlich von dir angezogen fühlen. Sie fühlen sich irgendwie sicherer mit dir, mehr bereit dir ihr Herz zu öffnen, mehr bereit ihre tiefsten Gefühle zum Ausdruck zu bringen, ihre nackte Wahrheit zu erzählen, und auch nach und nach sanft mit ihren tiefsten Verletzungen und Schmerzen in Kontakt zu kommen. Und du wirst merken, dass sie sich dadurch entspannen, und ganz sie selbst sind, wissend, dass du sie nicht beurteilst, bewertest, beschämts oder manipulierst.

Du wirst dadurch zu einem Heilungsfeld für andere genauso wie für dich selbst.

Du wirst andere treffen, die denselben Weg gehen wie du. Du wirst neue Freunde treffen, Brüder und Schwestern, die auch am Weg sind, und die in deiner Gegenwart Sicherheit fühlen. So, wie du dich sicher in deren Gegenwart fühlst. Du wirst auch die treffen, die wollen, dass du ihr unbezahlter Therapeut bist oder ein Abladeplatz für ihr Unbewusstes, ihre Dramen und ihre Beschwerden. Du wirst also lernen müssen, wo gesunde Grenzen sind.

Wenn du empathisch bist, und ich glaube, dass dies – unter all den narzisstischen Programmierungen und tausendfachen Abwehrstrategien – unsere wahre Natur ist, dann wirst du zu einem Spiegel für andere. Ein Spiegel, in dem sie sich deutlich sehen können …. wenn sie das möchten.

Und da liegt auch schon der Knackpunkt: Einige sind nämlich einfach noch nicht bereit sich in diesem Spiegel zu sehen. Für manche ist die Aussicht ihre tiefsten inneren Wahrheiten gespiegelt zu bekommen in hohem Masse unangenehm, ja sogar beängstigend. In manchen Menschen wird deine Liebe, deine Sicherheit und der intime Raum, den du anbietest unbewusste Ängste schüren, die möglicherweise größer sind, als die Angst vor ihrem eigenen Tod. Der Gedanke wirklich und wahrhaftig in diesem wunderbar warmen Licht der Liebe gesehen zu werden kann für manche völlig überwältigend und einschüchternd sein.

Und so sehr wir uns nach Nähe sehnen, so sehr laufen wir meilenweit davon: Wir finden jede nur erdenkliche Entschuldigung nur um ja nicht mit dieser Form der Innigkeit in Verbindung zu kommen, weil wir sicher sind, dass – wenn unsere tiefsten Sehnsüchte, unsere dringendsten Bedürfnisse und Gefühle wahrhaftig gesehen und erkannt werden – wir zurückgewiesen und ablehnt anstatt geliebt und umarmt zu werden.

So sehr wir uns nach wahrer Liebe und Akzeptanz sehnen, so sehr laufen wir davor davon.

Je mehr du dir dessen bewusst bist, je mehr dir Wahrheit wichtig ist, und je weniger du dich um dein Image kümmern musst, desto mehr wirst du merken, wer deine wirklichen Freunde, wer deine wirkliche Familie ist. Du wirst herausfinden, wer in Kontakt mit deinem empathischen Spiegel sein will, und wer sich davor fürchtet, sich vielleicht sogar darüber ärgert, ihn abwertet oder verurteilt.

Tief in uns sehnen wir uns also alle nach Empathie. Gleichzeitig kann es sein, dass sie uns zunächst einen riesigen Schrecken einjagt: Denn noch bevor wir uns dazu bereit fühlen, kann die freundliche und liebevolle Atmosphäre eines anderen unsere tiefsten Wunden öffnen, ungeheilten Traumata erwecken, und so etwas zur Heilung bringen. Es kann sein, dass du als empathischer Mensch durch deine Ruhe, Gelassenheit und die Fähigkeit nicht-bewertend zuzuhören, in anderen genau das auslöst: Nämlich sich vergangenem Schmerz, alter Schuld, Scham, Ängsten ja sogar altem Zorn zu stellen.

Als empathischer Mensch lädst du andere ein sich selbst zu begegnen und anderen mutig ihr wahres Selbst zu zeigen.

Einige werden sich zu dir hingezogen fühlen, weil sie dasselbe wollen wie du. Manche aber werden davonlaufen und deine Empathie als Schwäche, als Verrücktheit wahrnehmen, als etwas grundsätzlich Unerwünschtes oder Langweiliges. Vielleicht wollen diese Menschen sich einfach nicht mit sich selbst beschäftigen. Vielleicht haben sie Sorge, dass ihre „Schlechtheiten“ von anderen entdeckt werden. Vielleicht sind sie aber auch einfach dem Drama verpflichtet und misstrauisch gegenüber der umwerfend einfachen Wahrheit ihres eigenen Lebens. Vielleicht fühlen sie sich aber auch nicht liebenswert genug, um Nähe zuzulassen. Sie fühlen sich möglicherweise der Liebe nicht wert, die du ihnen anbietest.

Deine Art empathisch zu sein ist eine großartige Fähigkeit.
Ja …. und die Wahrheit ist: Nicht jeder sieht es als das und nicht jeder ist bereit für so ein lebensveränderndes Geschenk.

Das ist OK.

Es liegt eine wunderbare Kraft in deinem Weg der Empathie. Und es ist ein mutiger Weg, auf dem du nicht kehrt machst. Ganz im Gegenteil. Du kannst nur jene ehren die bleiben. Und jene ehren die gehen. Versteh einfach, dass das kraftvolle Licht, das von deiner Empathie ausgeht für manche erhellend und erleuchtend ist, für manche aber unangenehm, verwirrend und irritierend. Man kann Menschen nicht zur Selbsterkenntnis zwingen, wenn sie nicht dazu bereit sind. Manche werden nie dazu bereit sein. Und das ist auch OK.

Du bist ein empathischer Krieger mein Freund, dein Weg ist klar.

Für mehr von und über Jeff Foster:

www.lifewithoutacentre.com